Hochwasserschutz Schiffgasse Amberg, Mehrfachbeauftragung, September 2023,
mit Amelie Rost Architect

Schiffgasse Amberg

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In der Vils liegt der Ursprung des Wohlstands der Stadt Amberg. Als Ort des Handels war die Schiffgasse historischer Warenumschlagplatz und damit auch immer ein sozialer Ort, ein Ort des Austauschs und der Begegnung. Nach einer Zeit des Vergessens um diesen Ursprung, erlebt die Schiffgasse gerade ein mächtiges Comeback. Die Neugestaltung der Ufer und des Straßenraums seit Beginn der 2000er Jahre trägt Früchte und die Amberger entdecken Ihre Liebe zur Schiffgasse neu. Der Stadtraum an der Vils zwischen den beiden Wahrzeichen der Stadt, der Basilika St. Martin und der Stadtbrille, wird geschätzt als malerisches Entrée in die Altstadt, als Ort zum Flanieren und Ort der Gastlichkeit.

Unvereinbar scheinen nun die Ziele des Hochwasserschutzes mit dieser positiven städtebaulichen Entwicklung. Die Errichtung einer Mauer am Wasser scheint unvorstellbar, wo man doch hier der Vils so nah wie an keiner anderen Stelle in der Altstadt kommt und sich genau deshalb hier neue gastronomische Angebote ansiedeln.

Doch das notwendige Übel Hochwasserschutz bietet auch die Chance, die Schiffgasse und die Altstadt nicht nur sicherer zu machen, sondern auch als lebendigen Ort an der Vils weiterzuentwickeln.

Konzept der Vils-Sphären
Die Schiffgasse ist kein homogener, gefasster Stadtraum, vielmehr verbindet sie unterschiedliche (stadt-) räumliche Situationen mit jeweils eigenen Atmosphären. Dabei sind Maßstabssprünge und die Unterschiedlichkeit der Uferseiten charakteristisch für den situativen Charme. Die Vils ist das verbindende Element der Abschnitte und sich überlagernden Sphären. Basilika St. Martin, Luftmuseum und Bürgerhäuser, Schiffbrücke, Platz, Schloss und Rosengarten bilden eine einprägsame Sequenz von Räumen. Jeder Abschnitt für sich hat seine Qualitäten, die es zu bewahren und zu verstärken gilt.

Der Hochwasserschutz fügt sich selbstverständlich in diese Raum-Sequenz und reagiert spezifisch auf die jeweilige Situation. Zwischen Martinskirche und Schiffbrücke ersetzt eine neue Brüstung das bestehende Stahlgeländer. Als lineare Ufermauer fasst sie den Raum vor den Stadthäusern und erhält den ohnehin begrenzten Straßenquerschnitt. Im Gegensatz zum dünnen Stahlgeländer, bietet die Oberseite der Brüstung Fläche zum Anlehnen oder Aufstützen. Die bestehenden Zugänge zum Wasser bleiben bestehen und werden zum Teil vergrößert. Den Auftakt der Brüstung bildet ein besonderes Element unterhalb des Ölbergs. Ein über die Uferkante ausfahrbarer Balkon, die „Vils-Kanzel“, unterbricht die Brüstung für einen besonderen Ausblick auf und über die Vils.

Nach der Schiffbrücke springt die Brüstung um die Breite des Fuß- und Radwegs zurück und bildet, unter Ausnutzung der leicht ansteigenden Topographie, ein langestrecktes Stadtmöbel mit Sitzstufen aus. Zur Schiffbrücke tritt es als Volumen in Erscheinung, das den Fuß- und Radweg an der Vils vom oberen Zeughausvorplatz teilt, später versinkt es im ansteigenden Gelände und tritt als Stufenelement in Erscheinung. Die vorhandene Uferkonstruktion mit Stahlgeländer kann erhalten bleiben. Die Stufen zonieren die Aufweitung der Schiffgasse vor dem Portal zum Zeughaus und schaffen einen höher gelegenen, multifunktionalen Platzbereich mit Ausblick. Die Stufenanlage ist großzügig ausgebildet und lässt einen offenen Raum entstehen, ein Ort an der Vils zum Verweilen.

Im Bereich des Rosengartens wird lediglich die bestehende Mauer zum Innenhof entsprechend erhöht.

Material und Ausführung
Der neue Hochwasserschutz fügt sich selbstverständlich in die malerische Situation an der Vils. Durch den Erhalt und Wiedereinbau der Sandsteinquader der Uferbefestigung, bleibt das „steinerne Band“ der Uferkante erhalten, welches bisher schon Stadtbrille und St. Martin entlang der Vils harmonisch verbindet. Die neue Brüstungsmauer des Hochwasserschutzes gesellt sich quasi in zweiter Reihe dazu, in Farbigkeit und Körnung der Zuschläge auf den Naturstein abgestimmt, jedoch als neues Element erkennbar. Der Beton wird hochdruckgestrahlt, wodurch er eine samtige, haptisch und optisch ansprechende Oberfläche erhält. An markanten Stellen wie Brüstungsenden, Zugängen sowie dem Stufenelement, erhält die Mauer eine plastisch-künstlerische Behandlung, die dem Hochwasserschutz und der Schiffgasse ein poetisch-erzählerisches Moment hinzufügt.

Schiffgassen-Motiv
Ein abstraktes Muster aus kleinen linsenförmigen Figuren hebt sich plastisch von der Oberfläche ab und zeichnet ein leichtes Schattenspiel auf die Oberfläche. Es lädt dazu ein, die Mauer aus verschiedenen Distanzen zu erleben und vermittelt zwischen den Maßstäben. Die Gestaltung schafft emotionale Berührungspunkte aus unmittelbarer Nah-Sicht, z.B. aus Kinderperspektive, ebenso wie das Erleben aus größeren Distanzen, z.B. von gegenüber oder vom Wasser aus, wo das Schattenspiel des Motivs sich mit dem Spiel der Wellen überlagert. Die plastische Gestaltung führt die Tradition des gotischen Maßwerks und die Freude am Reichtum der geometrischen Formen weiter, wie sie in Amberg an vielen Stellen bewundert werden kann. Hier seien nur St. Martin und das Rathaus (mit seinem Balkon!) in unmittelbarer Nähe erwähnt. Gleichzeitig spielen die linsenförmigen Figuren des Musters an Bootsformen an oder verdichten sich zu einem stilisiertem Wellenspiel.

Beläge und Stadtmöblierung
Alle Maßnahmen des Hochwasserschutzes ordnen sich dem räumlichen Gesamtbild unter. Das bestehende Belags- und Möblierungskonzept der Stadt, erarbeitet durch das Architekturbüro Kampik, behält seine Gültigkeit und wird in seiner Logik weitergedacht. Die Zonierung des Straßenraums in uferseitigem Gehbereich, Fahrbereich und den Wohnhäusern vorgelagerten Vorzonen wird erhalten. Die bestehende Ufermauer wird bis auf die vorhandene Stahlbetonunterkonstruktion abgebaut und das Material für einen späteren Wiedereinbau gesichert. Die Unterkonstruktion wird ertüchtigt und um die neue Grundschutzwand ergänzt. Nachfolgend wird die Uferkante mit dem gesicherten Steinmaterial (angepasst und gereinigt) wieder verblendet. Vorhandene Bodenbeläge im Bereich der Maßnahme werden ebenfalls gesichert und wiederverbaut.

Bestehende Anker und Potential-Räume
Unterschiedlichste Angebote tragen bereits zur Belebung des Schiffgassenumfelds bei und besitzen durch die Wassernähe eine hohe Aufenthaltsqualität. Darüber hinaus könnten weitere Orte aktiviert werden, z.B. durch Umnutzung von Parkplätzen im Bereich des Hofs des Landratsamts oder von Nebenräumen im Zeughaus, Bereiche in 1a-Wasserlage. Stadtarchiv und rückwärtiger Hofraum ließen sich gut mit weiteren öffentlichen Angeboten (offene Fahrradwerkstadt, Ladestation für E-Bikes, etc…) anreichern und Synergien mit der Stadtbibliothek entstehen. Eine Öffnung des Komplexes zum Zeughausplatz hin und mit einer ausstrahlenden Nutzung im EG würde diesen zusätzlich stärken.